Isoenzym-Projekt

SSK-Isoenzym-Projekt 2004 (April 2004 - Mai 2005)

In 2004 vergaben wir unseren ersten Forschungsauftrag mit dem Ziel, die intragenerischen Verwandtschaften der Gattung Sulcorebutia (zur Zeit Rebutia (sensu Hunt)HUNT, D. 1999. CITES Cactaceae checklist. Royal Botanic Gardens Kew, Richmond, UK.
HUNT, D. 2006. The new cactus lexicon. dh Books, Milborne Port, UK.
und ihre genetische Nähe zu Weingartia, Gymnocalycium und Rebutia (sensu Backeberg):BACKEBERG, C. 1977. Das Kakteenlexikon, 4th ed. Gustav Fischer Verlag, Jena, Germany. zu untersuchen an Dr. Monika Konnert von der Bayerischen Landesanstalt für forstliche Saat- und Pflanzenzucht in Teissendorf.

Wir waren uns über die Grenzen des Unterfangens bewusst, zumal in Fachkreisen nur wenig Erfahrungen mit Isoenzymanalysen an Kakteen vorlagen und die konsultierten Biologen skeptisch waren: Die Methode sei eher ein "Lupenverfahren", mit dem man bestenfalls die Verwandtschaft einzelner Individuen klären könne. Allerdings wurde eingeräumt, dass kaum Erfahrungen mit der von uns angestrebten Zielsetzung vorlägen, um ein fundiertes Urteil abgeben zu können.

Zudem zwangen uns die finanziellen Ressourcen zu einer restriktiven Methode bei der Entnahme der Proben (Sampling): Wir konnten uns bei 220 untersuchten Populationen nur jeweils 1 Individuum pro Population leisten. Die beteiligten Wissenschaftler unterstrichen die Grenze des Machbaren: Das geringe Sampling erlaube möglicherweise nicht, zu entscheiden, welcher Ebene genetischer Variation (innerhalb von Populationen, zwischen Populationen oder zwischen verschiedenen Arten) die beobachteten Unterschiede zuzuordnen seien. Dennoch wurde in dem Ansatz, das extrem niedrige Sampling mit einer großen Anzahl von Populationen auszugleichen, wegen der relativ kleinen Populationen eine vertretbare Strategie gesehen.

Es wurden 10 Enzymsysteme analysiert: FEST, LAP, IDH, PEPCA, MNR, SKDH, MDH-A, PGM-B, PGM-A. An diesen Genorten wurden den Pflanzen putative Genotypen zugeordnet. Dabei wurde angenommen, dass die Pflanzen diploid und die quaternären Strukturen der Enzyme die gleichen seien wie bei anderen Pflanzen. Die hypothetisch bestimmten Genotypen wurden in eine Access-Datenbank eingetragen und davon ausgehend zwei verschiedene Ähnlichkeitsmaße berechnet (Abstände nach TANIMOTO und NEI), um die genetischen Unterschiede zu quantifizieren. Diese beiden Maße bildeten die Grundlage für clusteranalytische Gruppierungen, die nach zwei unterschiedlichen statistischen Verfahren gemacht wurden: Ausgehend vom TANIMOTO-Abstand wurde die "Average Linkage Method" angewendet, bei dem Abstand von NEI die "UPGMA-Methode".

Die Clusteranalysen ließen wohlseparierte Klassen einander ähnlicher Objekte erkennen. Problematisch ist, dass die Clusteranalyse bei einer höheren Anzahl zu clusternder Elemente an ihre Grenzen kommt. Deshalb dürfen die Ergebnisse nicht überbewertet, sondern nur Tendenzen herauslesen werden. Anderseits deuten die Ergebnisse darauf hin, dass die beiden statistischen Verfahren in der Tendenz ähnliche Schlussfolgerungen hinsichtlich genetischer Ähnlichkeiten zulassen, was bestätigt, dass die gewählten statistischen Ansätze richtig waren.

Bei dem von uns gewünschten Clustering aller 220 Proben war die Isoenzymanalyse deutlich überfordert. Eine Gruppierung nach Gattungen war hier nicht zu erkennen. Bis auf die Untergattung Rebutia (sensu Backeberg):BACKEBERG, C. 1977. Das Kakteenlexikon, 4th ed. Gustav Fischer Verlag, Jena, Germany., wo vier der fünf Proben zusammen clusterten, die fünfte aber auch einer anderen Gruppe angehört, waren für die anderen Gattungen keine Regelmäßigkeiten zu erkennen. Dabei ist bei Rebutia bekannt, dass der Genort PEPCA, diese Gattung von den anderen klar diskriminiert. Dies wird aber über die anderen Genorte und die Vielzahl der Proben verwischt. Für Sulcorebutia erkennt man im Dendrogramm aller 220 Proben eine weitgehende Übereinstimmung mit der Gruppierung eines separaten Clustering der 184 Sulcorebutien. In der weiteren Analyse wurden die Gattungen getrennt behandelt.

Sulcorebutia:

Insgesamt wurden 184 Individuen untersucht. Wie zu erwarten war, zeigt das Ergebnis in Gebieten engeren Samplings relativ plausible Ergebnisse. Es lassen sich im Dendrogramm 3 Gruppen erkennen, die sich untereinander genetisch deutlich unterscheiden. Die Gruppe 1 teilt sich in sieben und die komplexere Gruppe 2 in zwölf Untergruppen. In Gruppe 3 befinden sich im Wesentlichen Individuen, die schwer zuzuordnen sind. Folgende Tendenzen lassen sich im Hinblick auf größere genetische Ähnlichkeit im Dendrogramm erkennen:

  1. Fast alle S. steinbachii clusterten (unter anderen Proben) in zwei Untergruppen, die sich genetisch vergleichsweise wenig voneinander unterscheiden. Bei S. steinbachii war das Sampling sehr viel enger als bei allen anderen vermutlichen Arten.
  2. Populationen aus dem Ayopaya-Gebiet im Nordwesten des Verbreitungsgebiets clusterten in einer Gruppe (S. glomeriseta (2 Proben), menesesii, arenacea, candiae).
  3. In den Untergruppen 3, 4 und 5, der Gruppe 1 sind die genetischen Unterschiede vergleichsweise gering. Diese Untergruppen enthalten fast alle Proben der Arten S. pasopayana, sp. ChuquiChuqui-Presto, sp. Yamparaez, tarabucoensis, rauschii, callecallensis und langeri. Bis auf S. langeri stammen diese Proben aus den Bergen im Osten und Nordosten von Sucre. Man kann davon ausgehen, dass diese Arten einen Komplex mit größerer genetischer Ähnlichkeit bilden.
  4. Fast alle Proben des Komplexes S. oenantha, "tiraquensis / oenantha", "renatae / oenantha" und S. renatae clustern in einer Gruppe und stammen aus einem engen Verbreitungsgebiet südlich Totora.

Über diese Tendenzen hinaus lassen sich auf der schmalen Datenbasis keine seriösen Aussagen zu verwandtschaftlicher Ähnlichkeit machen. Im konstruierten Stammbaum waren viele "Arten" (nach heute gängigem Verständnis) über mehrere Äste verteilt oder clusterten erwartungsgemäß, wenn die Proben aus Populationen einer Art stammten.

Weingartia:

Von der Gattung Weingartia wurden 12 Proben untersucht. Das Dendrogramm wurde nach der UPGMA-Methode auf der Grundlage des genetischen Abstands nach NEI berechnet.

Vergleichsweise gering sind die genetischen Abständen jeweils zwischen den Proben W. hediniana (2 Proben), pulquinensis und spec. Icla, den Proben W. westii und cintiensis und zwischen den Proben W. hediniana und pulquinensis var. augustinii. Sehr hohe Abstandswerte, die für ausgeprägte Unterschiede stehen, zeigen sich bei den Paarungen: W. westii und pulquinensis v. augustinii, W. cintiensis und pulquinensis v. augustinii, W. trollii und pulquinensis v. augustinii, und zwischen W. westii und neocumingii.

Besser sind die genetischen Ähnlichkeiten und Unterschiede im Dendrogramm zu erkennen, in dem eindeutig fünf Gruppen (A - E) auszumachen sind:

  1. Diese Gruppe umfasst die beiden Proben W. hediniana (2 Proben), pulquinensis und W. spec. Icla. Innerhalb dieser Gruppe sind die genetischen Unterschiede am geringsten.
  2. Hier befinden sich die Proben W. pulquinensis v. augustinii und W. neocumingii, zwischen denen die genetischen Unterschiede etwas größer sind als bei Gruppe A. Die Gruppe B schließt ihrerseits zuerst mit Gruppe A.
  3. Die nächste Gruppe umfasst die Proben W. longigibba und W. riograndensis, die untereinander weitaus größere genetische Ähnlichkeit haben als im Vergleich zu allen anderen Proben. Der genetische Abstand ist etwas größer als der zwischen der Proben der Gruppe B.
  4. W. neocumingii v. koehresii und W. trollii sind untereinander ähnlicher als im Vergleich zu den anderen Proben, aber auch zwischen ihnen sind die Unterschiede vergleichsweise groß. Von allen anderen Proben unterscheiden sie sich deutlich.
  5. Die fünfte Gruppe umfasst die Proben W. westii und W. cintiensis, die untereinander genetisch sehr ähnlich sind, sich aber von allen anderen 10 Proben durch ihre Muster an den Genorten IDHA und MDHA am stärksten unterscheiden.

Sulcorebutia + Weingartia:

Seit vielen Jahren ist eine Trennung der beiden Gattungen Sulcorebutia und Weingartia umstritten. Innerhalb von Sulcorebutia gibt es eine Reihe von Populationen, die Weingartien morphologisch sehr ähnlich sind. Ein wichtiger Teilaspekt der Auswertungen waren deshalb die genetischen Abstände zwischen einigen dieser Populationen und Weingartia. Die Auswertung der insgesamt 43 Proben (27 Sulcorebutien und 16 Weingartien) führte zu IX Gruppen, die sich genetisch deutlich unterscheiden. Auch dieses Dendrogramm wurde nur nach der UPGMA-Methode auf der Grundlage des genetischen Abstands nach NEI berechnet.

Zwei Proben, nämlich S. purpurea und W. fidaiana sind keiner dieser Gruppen eindeutig zuzuordnen. S. purpurea schließt aber zuerst mit den Gruppen V und VI auf, die acht Sulcorebutia, und eine Weingartia (W. riograndensis) enthalten.

Die Gruppen II, III, V und VII enthalten nur Sulcorebutia, die Gruppen IV und IX nur Weingartia.

In der Gruppe VIII sind neben S. frankiana noch W. neocumingii v. koehresii und W. trollii, die sich aber genetisch deutlich ähnlicher sind als zu S. frankiana.

Am heterogensten ist die Gruppe I. Hier finden sich sieben Sulcorebutia und sechs Weingartia. Von den anderen Proben der Gruppe unterscheidet sich S. mentosa deutlich. Auffällig ist, dass sich in dieser Gruppe alle drei Weingartia hediniana und die beiden Sulcorebutia torotorensis befinden. Dies zeigt, dass gerade bei diesen beiden Arten die Zugehörigkeit zu zwei verschiedenen Gattungen angezweifelt werden muß.

Zusammenfassend deutet sich in dieser Gruppierung an, dass die derzeitige Trennung zwischen den beiden Gattungen überprüft werden muss. Für die meisten der untersuchten Arten scheint die Zuordnung zur Gattung richtig zu sein; bei einigen muss sie hinterfragt werden.

Gymnocalycium:

Von der Gattung Gymnocalycium wurden 12 Proben untersucht. Das Dendrogramm wurde nach der UPGMA-Methode auf der Grundlage des genetischen Abstands nach NEI berechnet und nach dem NEIGHBOR Procedure modifiziert.

Die Eigenständigkeit der Gattung zeigte sich bereits deutlich bei der Analyse in wiederholt auftretenden Undeutlichkeiten ("Schmieren") bei den Enzym-Mustern MNR und 6PGDH, die für Gymnocalycium typisch zu sein scheinen und auf bestimmte Inhaltsstoffe hindeuten.

Im Dendrogramm ist eine relativ homogene Gruppe zu erkennen, die aus den Proben Gymnocalycium bruchii, papschii, andreae und leptanthum gebildet wird. Innerhalb dieser Gruppe sind sich G. papschii und leptanthum sehr ähnlich. Die Proben G. rauschii einerseits und noch mehr G. andreae ssp. matznetteri sondern sich klar von den anderen ab, sind aber auch untereinander sehr verschieden.

Die genetischen Abstände innerhalb dieser 12 Proben sind im Durchschnitt geringer als bei Weingartia.

Die Gruppierung deckt sich nicht mit der gegenwärtigen Unterteilung der Gattung nach Samengruppen (Till, 2001TILL, H. 2001. Neuordnung der Gattung Gymnocalycium. Gymnocalycium 14: 385-404.). Zumindest erscheinen diese Analysen zur Trennung der Samengruppen nicht geeignet zu sein.

Rebutia

Es wurden 15 Populationen Rebutia (sensu Backeberg):BACKEBERG, C. 1977. Das Kakteenlexikon, 4th ed. Gustav Fischer Verlag, Jena, Germany. (Rebutia, Aylostera, Digitorebutia) untersucht und zu Vergleichzecken weitere 4 Individuen aus Vorstudien.

Die fünf Exemplare der Untergattung Rebutia sind eindeutig an ihrem Muster bei PEPCA zu erkennen. Sie sind auch die einzigen Proben mit dem Genotyp 44 an diesem Genort (Liste der Genotypen). Die Proben der Untergattungen Aylostera und Digitorebutia haben dagegen dass Muster 22, wie es bei dem überwiegenden Teil der bislang von uns untersuchten Kakteen zu finden ist. Innerhalb dieser Serie fallen auch die Unterschiede zwischen Rebutia und den anderen Proben bei MDHA, MNRA und LAPA auf. Auch bei der nicht in Genotypen umgesetzten Zone MDH-B sind die Unterschiede zwischen den Proben von Rebutia einerseits und Aylostera und Digitorebutia andererseits zu erkennen.

Im Dendrogramm spiegeln sich diese Unterschiede in der Gruppierung wieder. Die Proben clustern in zwei eindeutig voneinander getrennten Gruppen, nämlich Rebutia einerseits und Aylostera und Digitorebutia andererseits, die erst auf sehr hohem Niveau schließen, d.h. zwischen diesen beiden Gruppen gibt es große genetische Unterschiede.

Lobivia:

Die beiden zu Vergleichszwecken herangezogenen Proben Lobivia cinnabarina und Lobivia oligotricha unterscheiden sich von allen anderen Proben durch die Multilocus-Struktur an den Genorten PEPCA/GOTB. Sie haben hier den Multilocus-Genotyp 11/33 (Liste der Genotypen).

Zwischen den beiden Proben gibt es deutliche genetische Unterschiede. Da aber von jeder Art nur 1 Individuum untersucht wurde, kann nicht gesagt werden, ob diese Unterschiede auch auf die Populationsebene übertragen und somit als Unterschiede zwischen Arten betrachtet werden können.

Untersuchungsergebnis:

Zusammenfassend muss wiederholt werden, dass aus dem Gesamtergebnis nur Tendenzen herausgelesen werden können. Die Datenbasis ist zu schmal, um seriöse Aussagen machen zu können. Einige Ähnlichkeiten sind nur durch zusätzliche DNA-Analysen zu klären. Wir entschieden uns, die Arbeiten mit DNA-Analysen fortzusetzen.

Das Isoenzymprojekt wurde mit Spenden teilfinanziert und mit öffentlichen Mitteln vom Freistaat Thüringen gefördert.

Die untersuchten Pflanzen sind in Übereinstimmung mit dem Washingtoner Artenschutzübereinkommen (CITES) herangezogen worden.

Weingartia steinbachii am Standort, Cochabamba, Bolivien

Weingartia steinbachii am Standort, Cochabamba, Bolivien (© I&R Mecklenburg)

Zum Seitenanfang

Studiengemeinschaft Südamerikanische Kakteen